Dieser Beitrag stammt von Annika Linnberg, einer Psychologin, die sich auf das Thema Spielsucht spezialisiert hat. Sie ist auch allgemein gesehen eine Expertin, wenn es um jegliche Art von Sucht geht, und kann mehr als 20 Jahre klinische Erfahrung auf ihrem Gebiet vorweisen. Wir haben den Beitrag ins Deutsche übersetzt:
Sportwettentest.net arbeitet in Kooperation mit Mindway AI, um das Thema Verantwortungsvolles Spielen und Spielerschutz präsent zu machen. Mindway AI ist ein Ableger der Aarhus Universität in Dänemark. Seit über 10 Jahren wird auf dem Gebiet der Neurowissenschaft und Spielsucht geforscht, um mit den Ergebnissen Hilfestellung zur Spielsucht Prävention bereitzustellen.
Wie man von Spielsucht geheilt wird, lässt sich nicht in einem Blogbeitrag oder in einem Buch nachlesen. Sie werden schnell merken, dass es schwieriger ist, als Sie zunächst gedacht haben. Am Ende werden Sie aber zustimmen, dass sich der Aufwand dafür gelohnt hat.
In diesem Beitrag geht es um Ideen, die Ihnen dabei helfen, die “Selbstzerstörung” zu beenden und erste Hindernisse, die sie wieder in die Sucht treiben würden, zu überwinden. Wir möchten Ihnen auch Hoffnung geben, dass eine Genesung von Spielsucht möglich ist, sofern Sie sich diesem Prozess voll und ganz widmen.
Die meisten Spielsüchtigen haben eine klare Vorstellung von den Schritten, die sie unternehmen könnten, um das Spielen zu erschweren. Viele kommen jedoch nicht dazu, diese Schritte zu ergreifen. Zuerst möchten wir dementsprechend darauf eingehen, wie man den Widerstand gegen Veränderungen überwinden kann.
Einige Worte zur Verleugnung – das Hauptproblem am Beginn zur Genesung
Eines der vielen merkwürdigen Dinge bei einer Sucht im Allgemeinen ist, dass die süchtige Person ihren Zustand verleugnen kann, selbst dann, wenn die Situation für nahestehende Personen und ihr Umfeld offensichtlich ist.
Der oder die Betroffene muss seine Mitmenschen oft anlügen, damit er oder sie mit dem Glücksspiel weitermachen kann. Sie belügen sich aber auch selbst, indem sie ihr Verhalten rationalisieren. Familie und Freunde durchschauen das aber schnell. Sie empfinden das Angelogen-werden als respektlos.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass das ein Teil der Sucht ist und leider eines der Symptome, die dazu beitragen, dass der Spieler sich den Folgen seiner Sucht nicht bewusst wird. Geht das Spielen weiter, schottet man sich immer mehr ab und entflieht der Realität.
Je länger damit gewartet wird, etwas gegen die Sucht zu tun, umso schwieriger wird es, die negativen Folgen zu akzeptieren. Anders gesagt: Die Folgen von Glücksspiel werden immer schwerer zu verkraften. Das will der Betroffene verdrängen und nicht wahrhaben. Er stürzt sich also noch tiefer ins Glücksspiel, was einen Akt purer Verzweiflung und keine bewusste Entscheidung darstellt.
Warum ist es schwierig, aufzuhören?
Es scheint so, als hätte das Glücksspiel einen Teil des Gehirns eingenommen. Je mehr sich der Spieler nun dem Glücksspiel widmet, desto mehr weitet sich es aus. Und damit wird der Ausstieg aus dem Glücksspiel immer schwieriger.
Die Stopp-Taste drücken, auch wenn ein Teil von sich nicht will
Auf dem Weg, aufzuhören, gibt es Hindernisse wie die Verleugnung und bestimmte, tief verwurzelte, emotionale Vermeidungsmuster. In der Theorie wären die Schritte, um der Spielsucht zu entkommen, eigentlich recht einfach.
Dazu zählen der Selbstausschluss, also das Sperren des Kontos und/oder die Beschränkung der finanziellen Mittel. Wer jedoch gerade auf das Glücksspiel so richtig fokussiert ist, wird wohl kaum leicht dazu zu motivieren sein.
Um es besser verstehen zu können, sollte der Betroffene über Glücksspiel auf die gleiche Weise nachdenken wie über die Rolle des Alkohols für Alkoholiker: Es ist ebenso unwahrscheinlich, dass ein Alkoholiker während eines Trinkgelages beschließt, keinen Alkohol mehr zu trinken.
Im übertragenen Sinne würde das in unserem Fall bedeuten, dass man jene Zeiten nutzen sollte, in denen man dem Glücksspiel weniger emotional begegnet, um Barrieren dagegen aufzubauen.
Wenn man eine Glücksspielpause einlegt, macht das Gehirn neue Erfahrungen. Auch wenn es eines Vertrauensvorschusses bedarf, um mit dem Spielen aufzuhören, kann es hilfreich sein, das Aufhören eher als Prozess zu beachten.
Den Kontrollverlust akzeptieren
Viele glauben fälschlicherweise, dass das Glücksspiel zu Verbesserung des Lebens beiträgt und man reich wird, seine Schulden tilgt und andere positiven Aspekte damit erzielt.
Auch wenn man am Punkt angekommen ist, an dem man das Glücksspiel hasst, gibt es immer noch welche, die es als letzten Ausweg sehen, um anderen Dingen zu entkommen. Primär steht hier nicht das Spielen im Vordergrund, vielmehr die Flucht aus unangenehmen, emotionalen Situationen.
Jegliche Überzeugung, dass das Glückspiel ein Mittel ist, um emotionale Lebenslagen meistern zu können bzw. seinen Selbstwert zu steigern, behindert die Fähigkeit, Verluste zu minimieren und den Prozess des Loslassens zu beginnen, erheblich.
Das ist nicht verwunderlich. Wir Menschen glauben gerne, dass wir mehr Kontrolle über die Dinge in unserem Leben haben, doch das ist nicht der Fall. Wenn wir emotional etwas nicht mehr im Griff haben, denken wir uns – bewusst oder unbewusst – dass wir noch die Kontrolle haben. Doch “bessere” Glücksspielerlebnisse lassen sich nicht erreichen.
Statt zuzulassen, dass Sie sich immer mehr ins Glücksspiel stürzen, versuchen Sie das Folgende sich zu Herzen zu nehmen:
Sie werden niemals gewinnen. Nicht, weil Gewinnen generell nicht möglich ist, sondern weil Sie sich selbst bewiesen haben (egal ob Sie gewinnen oder verlieren), dass Sie keine Kontrolle mehr darüber haben, was Sie als Nächstes tun.
Wenn man gewinnt, denkt man, noch mehr gewinnen zu können. Verliert man, denkt man sich, das wieder ausgleichen zu müssen und spielt noch bzw. nimmt ein noch größeres Risiko. Aufgrund meiner Erfahrung als klinische Psychologin kann ich leider bestätigen, dass die Kontrolle nicht wiederkehren wird.
Der Weg zurück zur Kontrolle führt darüber, den eigenen Zugang zum Glücksspiel zu kontrollieren, damit es nicht weiter ihr Leben ruiniert.
Welche Aspekte Sie sich mitnehmen können
- Verleugnung: Ein Merkmal von Sucht ist die Verleugnung. Wenn man die Sucht nicht wahrhaben will, obwohl sie da ist, bleibt man länger süchtig und ist auch nicht bereit, die Folgen von Glücksspiel zu sehen. Verleugnung verhindert auch die Motivation, Schritte zum Aufhören zu unternehmen.
- Bewusstsein: Die Verleugnung folgt keinem logischen Prozess. Für den Spieler als auch für dessen Angehörige ist es schwer zu verstehen, dass er selbst weiter seine Sucht verleugnet, obwohl sie offensichtlich ist. Wenn der Spieler diesen Prozess besser versteht und ihm dessen Auswirkungen bewusst werden, kann er seinen Gedanken ausweichen und aktive Schritte unternehmen, um dem Glücksspiel ein Ende zu setzen.
- Den Kontrollverlust zu akzeptieren, ist ein wesentlicher Aspekt der Genesung. Die Akzeptanz beginnt, wenn der Spieler realisiert, dass er die Kontrolle verloren hat und dass das Glücksspiel, egal ob man gewinnt oder verliert, zu keinen Vorteilen führt, sondern zu Schaden und Zerstörung. Das ist ein wichtiger Schritt, um Verluste zu verringern und dem Teufelskreis zu entkommen.
- Aufhören – egal, was einem die eigenen Emotionen sagen. Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass weiteres Spielen die Wahrnehmung mehr und mehr beeinträchtigt. Man muss alle möglichen Schritte unternehmen, um die harte Wahrheit über die Folgen von Glücksspiel zu erfahren und dafür auch externe Hilfe zulassen, um das Ganze beenden zu können.
Suchen Sie sich Unterstützung
Dem Glücksspiel den Rücken zuzukehren, kann extrem schwierig und emotional anstrengend sein. Der Prozess der Isolation trägt oft negativ zu Gefühlen von Verzweiflung und Einsamkeit bei, die süchtige Spieler empfinden. Unterstützung zu suchen, ist ein probates Mittel, um sowohl kurz- als auch langfristig Beistand zu bekommen und geführt zu werden.