XG (Expected Goals) sind bei der Wett-Analyse in aller Munde. Sowohl auf Livescoringplattformen wie Flashscore als auch im TV werden regelmäßig sogenannte xG-Werte eingeblendet, welche interessante Rückschlüsse auf die Stärke von Fußballvereinen zulassen.

Doch was sind Expected Goals und wie lassen sich diese xG berechnen? Besteht die Chance, die eigenen Sportwetten auf Basis von xG-Werten auf ein neues Level zu heben? Können auf Basis von xG bessere Wetten platziert werden?

Droht unter Umständen aber vielleicht sogar mehr Konkurrenz im Sportwetten-Sektor, da auch die Wettanbieter diese Stats einfließen lassen? Wir von Sportwettentest dürfen auch die Nachteile der xG-Werte für Quoten und potentielle Sportwetten nicht ungenannt lassen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was sind xG respektive Expected Goals
  2. Umrechnung xG in Treffer-Wahrscheinlichkeit
  3. Schwächen der Expected-Goals-Modellierung
  4. Warum xG besser als die Betrachtung von Toren ist
  5. Für Wettprofis: xG-Werte in Wettquoten umrechnen
  6. xG für Wetten in der Bundesliga oder Premier League nutzen

Was sind xG respektive Expected Goals?

Die Bezeichnung “Expected Goals” ist mit der Phrase “zu erwartende Tore” schnell ins Deutsche übersetzt. Häufig taucht in Statistiken nur das gewöhnliche Kürzel xG dafür auf. Der Grundgedanke der zu erwartenden Tore ist es, Torchancen eine maximal objektive Torwahrscheinlichkeit zuzuweisen. Dafür wird jeder Schuss nach verschiedensten Kriterien bewertet.

Selbst bei einfacheren xG-Modellen fließen die Entfernung zum Tor, der Winkel, Art des Schusses (Kopfball?) und mehr ein. Die Modellierung wird immer professioneller, weshalb inzwischen oft sogar die Position des Torhüters, aussichtsreich platzierte Mitspieler und die Anzahl und Intensität der im Umkreis befindlichen Verteidiger mit einfließen.

Welche Daten beeinflussen den xG-Wert bei professionellen Expected-Goals-(xG)-Modellen?

  • Entfernung zum Tor
  • Winkel zum Tor
  • Art der Schusses (Kopfball, Fuß)
  • vorangegangene Aktion (Dribbling, Flanke)
  • Position des Torhüters
  • Druck durch Verteidiger (und deren Anzahl)
  • aussichtsreich platzierte Mitspieler

Jeder Chance wird ein Prozentwert (meist als Dezimalzahl) zugeordnet, mit der jene zum Treffer führt. Der Wert schwankt entsprechend zwischen 0,01 (quasi keine Aussicht auf einen Treffer) und 0,99 (einer sogenannten 100-prozentigen Torgelegenheit).

Besonders interessant ist der Strafstoß, der bei allen Expected-Goals-Modellen den quasi gleichen Wert bekommt, da die oben genannten Einflussfaktoren alle fest bestimmt sind. Bei den allermeisten Modellierungen schwankt der xG-Wert beim Penalty zwischen 0,76 und 0,77. Doch was bedeuten diese Zahlen?

Umrechnung xG in Tor-Wahrscheinlichkeit

Die Umrechnung der einzelnen xG-Werte in eine feste Wahrscheinlichkeit ist denkbar einfach, da jene als Dezimalzahl angegeben werden, die entsprechend mit dem Faktor 100 direkt in einen Prozentwert zu übertragen ist. Entsprechend entspricht ein xG von 0,5 einer Chance von 50 Prozent auf einen erfolgreichen Abschluss. Elfmeter werden zu 76-77 Prozent verwandelt.

Ein xG von 1,00 wiederum ist unmöglich, da es statistisch betrachtet keine 100-prozentige Torgelegenheit gibt. Den Beweis liefern die hochbezahlten Profis, die mit ihren vergebenen Chancen das Gespött in so manchem Jahresrückblick auf sich ziehen.

Schwächen der Expected-Goals-Modellierung

Die Addition alle xG-Werte einer Mannschaft innerhalb eines Fußballspiels gibt einen Aufschluss darüber, wie viele Treffer die Mannschaft im Mittel hätte schießen sollen. Die Realität wird davon schon deshalb abweichen, weil statistisch betrachtet quasi nie ein Wert von x,00 zum Schlusspfiff auftauchen wird. Über xG können mithilfe mathematischer Berechnungen (beispielsweise der Poisson-Verteilung) prozentuale Siegchancen aufgestellt werden. Sogar eigene Bundesligatabellen allein auf Basis von xG sind denkbar.

Klingt zu schön, um wahr zu sein, doch Expected Goals haben auch eine Vielzahl an Nachteilen. Beispielsweise lässt sich die Aussagekraft über die Qualität eines Spielers in erster Linie aus Abweichungen von seinem xG-Wert treffen. Die Qualität eines Profis taucht bei Expected Goals nicht oder maximal untergeordnet auf. Expected-Goals-Modelle unterscheiden nicht, ob Robert Lewandowski oder ein Oberligaspieler aus 12 Metern halbrechts zum Abschluss kommt. Maximal lässt ein grundsätzlich hoher xG-Wert darauf schließen, dass ein Stürmer in der Lage ist, sich Torchancen zu erarbeiten, wenngleich dies auch wieder an einer durchwachsen agierenden Defensivkette oder seinen Mitspielern liegen könnte.

xG Nachteile im Überblick

  • Qualität der Spieler wird nicht betrachtet
  • Spielstand nicht berücksichtigt (bei früher 2:0-Führung wird selten auf das dritte Tor gedrängt -> niedriger xG-Gesamtwert)
  • Datenqualität bzw. einfließende Faktoren sind bei jedem xG-Modell unterschiedlich professionell
  • xG-Werte sind öffentlich verfügbar, also kein direkter Vorteil gegenüber dem Wettanbieter

Umso dankbarer sind Scouts für die professionelle Bereitstellung der Daten zu Expected Goals. Stürmer, die ihren xG-Wert schlagen, hinterlassen ein klares Indiz auf eine hohe eigene Qualität. Wenig überraschend hat der Torschützenkönig der letzten Jahre in der Bundesliga fast immer einen klar stärkeren Score erreicht, als es der Höhe seiner persönlichen xG-Modellierung entsprach.

Topvereine verschiedenster Profiligen schießen für gewöhnlich auch mehr Treffer, als für sie “zu erwartende Tore” im Raum stehen. Die nicht bewertbare individuelle Qualität bleibt die große Schwäche. Entsprechend kann es in der Zukunft sogar eine Option sein, die natürlich nur subjektiv einschätzbare Klasse von Spielern oder Mannschaften mit einem Faktor einfließen zu lassen, um noch präzisere Wahrscheinlichkeiten für den Sieg einer Mannschaft errechnen zu können.

Warum xG für Wetten besser als die Betrachtung von Toren ist

Die Menge an Nachteilen im vorangegangenen Abschnitt lässt hinterfragen, ob das xG-Modell dann überhaupt ausgereift genug ist, um wirkliche Hilfestellungen für die Sportwetten-Analyse von Fußballspielen bereitzustellen. Sind die zu erwartenden Tore in vergangenenen Spielen wirklich aussagekräftiger als die tatsächlich geschossenen Tore in gleichen Partien?

Die Antwort ist ein klares JA! In die tatsächlich erzielten Tore fließt natürlich die Qualität der Stürmer ein, doch alle anderen beschriebenen Nachteile von xG schlagen sich auch auf den realen Endstand nieder. Ein 3:0 nach 60 Minuten in Führung liegender Club wird weniger verbissen auf den vierten erfolgreichen Abschluss hinspielen, als dies ein Verein tut, der zum gleichen Zeitpunkt 1:2 in Rückstand liegt.

Stattdessen liefern xG eine Vielzahl an Vorteilen, die allesamt mit der Eliminierung des Glücksfaktors in Einklang stehen.

Vorteile von xG-Statistiken im Vergleich zu real geschossenen Toren

  • Obejktive Betrachtung: während bei tatsächlichen Toren nicht hinterfragt wird, ob Glück wie individuelle Fehler zum Treffer führten, ist der xG-Wert von wesentlich mehr Objektivität geprägt, da die verschiedensten Faktoren wie Entfernung, Winkel & Art des Schusses in die Trefferwahrscheinlichkeit einfließen
  • Glück nicht auf 90 Minuten heruntergebrochen: es gibt die Spiele, in denen alles klappt oder der Ball einfach nicht in das Tor will. Über einen Zeitraum von nur einem Spiel kann somit schnell eine unverdiente Niederlage in den Büchern stehen. xG betrachtet die Leistung einer Mannschaft wesentlich fairer und lässt starke Vermutungen zu, dass Team XY beispielsweise unter Wert geschlagen wurde. Langfristig gleichen sich die Werte aber durchaus an.
  • Neue Taktikmöglichkeiten: Expected Goals liefern ganz neue Erkenntnisse, aus welchen Feldposition tatsächlich gute Torchancen entstehen, auf deren Basis neue Taktiken in Zukunft entwickelt werden
  • Chancenqualität betrachtet: die Qualität von Torchancen interessiert nach einem hart erkämpften Arbeitssieg nicht mehr. Die Einordnung, ob der Sieg tatsächlich verdient war, lässt sich aber mit xG deutlich einfacher bewerkstelligen. Genau dies ist für Sportwetter hinsichtlich zukünftiger Partien von Interesse.
  • Individueller Qualitätsnachweis: wie weiter oben bereits erwähnt, bietet die anfänglich kritisierte Nichtberücksichtigung der individuellen Klasse eines Spielers große Chancen, einen Profi genauer einzuschätzen. Wer regelmäßig seinen eigenen xG-Wert schlägt, untermauert seine Klasse. Für Sportwetter ist dieser Vorteil aber eher ein zusätzlicher Betrachtungspunkt am Rande der xG-Analyse eines bevorstehenden Fußballspiels.

Allgemein gilt, dass Expected Goals eine wesentlich tiefere Analyse bieten, ob der Endstand eines Fußballspiels tatsächlich ansatzweise gerecht war. Selbstverständlich sollte diese Einschätzung um subjektive Faktoren erweitert werden. Die fairsten Werte im Duell zweier ansatzweise gleichstarker Mannschaft ergibt sich in der Regel, wenn ein Match lange Remis stand oder beide Teams ähnlich lange einen gewissen Druck verspürten, selbst einen Akzent setzen zu müssen.

Für Wettprofis: xG-Werte in Wettquoten umrechnen

Die für Sportwetten wohl interessanteste Idee ist es, xG-Werte der Vergangenheit in Wettquoten für kommende Partien umzurechnen. Offensichtlich ist, dass dies nur mit mathematischen Modellen geschehen kann.

Besonders geeignet scheint die Poisson-Verteilung, mit deren Hilfe Quoten auf Heimsieg, Remis oder Auswärtssieg zu errechnen sind, wenn die Daten der durchschnittlichen xG-Werte in Offensive und Defensive für beide Vereine bekannt sind. Die Poisson-Verteilung ermittelt dann einen prozentualen Wert für jedes Resultat (0:0, 1:0, 0:1, 1:1, 2:0 etc.). Die Addition der Wahrscheinlichkeiten für alle Resultate, die einen Heimsieg beinhalten, ergibt die prozentuale Chance auf den Heimdreier. Ein Rechner für solch ein Modell mithilfe der Poisson-Verteilung ist im Internet schnell gefunden, mathematische Grundverständnisse bleiben aber unabdingbar.

Als kleines, zusätzliches Problem gestaltet sich, dass die Poisson-Verteilung die Chance auf eine Punkteteilung (Remis) ein Stück unterschätzt. Hintergrund ist, dass das verringerte Risiko in der Schlussphase bei diesem Spielstand nicht in die Betrachtung einfließt, also von der xG-Modellierung verkannt wird. Entsprechend ist eine Anpassung der reinen Poisson-Verteilung hin zu einer leicht verstärkten Chancen-Erhöhung der Punkteteilung sinnvoll. Fakt ist, dass es Modelle gibt, mit denen aus xG Quoten errechnet werden können.

xG für Wetten in der Bundesliga oder Premier League nutzen

Der obige Ansatz zur Erstellung von Wettquoten auf Basis von xG zeigt, dass Expected Goals in der Analyse potentieller Wetten für Sportwetter eine große Rolle spielen können und werden. Folgende Gedanken sollten bei der Analyse von xG-Werten für Bundesliga, Premier League & Co. eine Rolle spielen:

  • Qualitätsvergleich: welche Mannschaft erarbeitet sich mehr qualitativ hochwertige Torchancen?
  • Heim-/Auswärtsspiele: deuten die xG auf klar unterschiedliche taktische Konzepte in Heim- oder Auswärtsspielen hin?
  • xG gegen ähnliche Kontrahenten beachten: Wie viele Torchancen erarbeiteten sich Vereine in Duellen mit ähnlich starken Teams wie dem kommenden Gegner?
  • Live-Wetten Chancen: Nach einer Vielzahl nicht verwerteter guter Chancen scheint ein Tor in der Luft zu liegen (Tendenz sollte aber auch ohne xG gut zu erkennen sein)
  • Analyse der Defensive: oft steht bei xG die Offensive im Fokus, dabei sind niedrige kassierte xG ein großes Indiz auf eine bärenstarke Defensive

Expected Goals sind für Wetten auf die Bundesliga, Premier League und sonstige große Fußballligen für viele Sportwetter zu einem wichtigen Analysefaktor geworden – Tendenz steigend. Logischerweise lässt sich die Offensiv- und Defensivqualität untermauern. Ob durch erzielte / kassierte Treffer der eigene xG aus Glück oder individueller Klasse geschlagen wurde, bleibt eine subjektive Einschätzung.

Auch sollte bei Bundesliga-Wetten auf Basis von xG darauf geachtet werden, dass in erster Linie Werte aus ähnlichen Spielen verglichen werden. Wichtig ist also, wie eine Mannschaft gegen Teams ähnlicher Stärkeklasse des kommenden Kontrahenten agierte. Eine besonders hohe Aussagekraft haben Expected Goals, wenn nicht bereits früh ein Verein klar in Führung oder Rückstand lag. Ein frühes “zurücklehnen können” verschiebt xG-Werte für den Restverlauf einer Partie oft nach unten.